MFR: Parlament fordert zusätzliches Geld im Mehrjährigen Finanzrahmen

Wenn die EU-Kommission im Juli ihren Entwurf zum neuen Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR 2028-2034) vorlegt, ist zumindest der Standpunkt der EU-Abgeordneten schon da. Das Plenum hat den entsprechenden Bericht am 7. Mai beschlossen. Angesichts der geopolitischen Lage müsse mehr Geld in den MFR fließen - und neue Eigenmittel generiert werden. Umweltverbände kritisieren unter anderem das Fehlen höherer Ausgabenziele für Klima und Biodiversität.
Es geht um Billionen, Ausgabenobergrenzen und die Planung der EU-Eigenmittel in den sieben Jahren ab 2028. Nach dem Haushaltsausschuss (23. April) hat nun auch das EU-Parlament abgestimmt und am 7. Mai seinen Bericht zur langjährigen EU-Finanzpolitik angenommen.
Die EU-Kommission hatte im Februar in ihrer Roadmap zum MFR (Mitteilung: Der Weg zum nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen) größere Umstrukturierungen des Haushalts angekündigt, die den MFR „einfacher, zielgenauer und wirkungsvoller” sowie flexibler machen und an die strategischen Prioritäten der EU (Wettbewerbsfähigkeit, Sicherheit, Migration) anpassen soll. Die Roadmap streift auch andere Themen wie Ernährungssicherheit, Naturschutz und Klimaanpassung („Ernährungssicherheit und Naturschutz sichern die Lebensqualität in Europa – und stehen vor besonderen Schwierigkeiten“). In der MFR-Mitteilung der EU-Kommission heißt es: „Europa muss die Quadratur des Kreises bewerkstelligen: Es ist unmöglich, dass der EU-Haushalt unseren Ambitionen gerecht wird und insbesondere die Rückzahlung der NextGenerationEU-Schulden ermöglicht und gleichzeitig die Finanzbeiträge der Mitgliedstaaten stabil bleiben und keine neuen Eigenmittel eingeführt werden. Wir müssen uns entscheiden.“
Die EU-Abgeordneten haben nun entschieden, welche Prioritäten das EU-Parlament im nächsten MFR sehen möchte.
Parlament: „EU-Haushalt ab 2028 muss die aktuellen geopolitischen, wirtschaftlichen und ökologischen Realitäten widerspiegeln und flexibel sein”
Der Parlamentsbericht wurde mit 317 Ja- gegen 236 Nein-Stimmen angenommen, 123 Abgeordnete enthielten sich. In Zeiten globaler Instabilität reiche die derzeitige Obergrenze für Ausgaben in Höhe von ein Prozent des Bruttonationaleinkommens der EU-27 nicht aus, um die zunehmende Zahl an Krisen und Herausforderungen zu bewältigen, so das Parlament. Angesichts des globalen Rückzugs der USA müsse der EU-Haushalt unter anderem Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine, ein schwieriges wirtschaftliches und soziales Umfeld, Wettbewerbsnachteile sowie die sich verschärfende Klima- und Biodiversitätskrise adressieren.
Den Vorschlag der EU-Kommission, das Modell rein nationaler Pläne wie beim Aufbau- und Resilienzfazilität für den MFR zu übernehmen, lehnten die Abgeordenten ab. Stattdessen forderten sie eine Struktur, die Transparenz und parlamentarische Kontrolle gewährleiste und regionale sowie lokale Behörden und alle relevanten Akteure einbeziehe. Die Entschließung bekräftigt zudem die Rolle der Kohäsionspolitik bei der Vertiefung des Binnenmarkts, dem Abbau von Ungleichheiten und der Bekämpfung von Armut.
„Unzureichend“ sei auch der vorgeschlagene Großfonds. Der von der EU-Kommission geplante „Wettbewerbsfonds“ würde mehrere bestehende Programme zusammenführen. Das Parlament setzt auf einen neuen, gezielten Fonds, der durch EU-gestützte Risikominderungsmechanismen private und öffentliche Investitionen mobilisieren soll. Eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben sei zwar notwendig, dürfe jedoch nicht auf Kosten sozialer und umweltpolitischer Ausgaben oder langjähriger Politiken gehen. Ebenso dürfe die geplante Flexibilisierung und Vereinfachung sowie der Plan, unnötige Bürokratie abzubauen, der Kommission keinen größeren Handlungsspielraum ohne demokratische Kontrolle durch das Parlament einräumen. Flexibilität bei den Ausgaben sei entscheidend – in jedem Politikbereich müssten Krisenreaktionskapazitäten im Haushalt verankert sein, wobei die humanitäre Hilfe gestärkt werden sollte. Aus Sicht des Parlaments sollte der nächste MFR auch zwei Sonderinstrumente enthalten: eines für Katastrophenhilfe und eines für sonstige unvorhergesehene Herausforderungen.
Was die Schuldenrückzahlung und gemeinsame Kreditaufnahme angeht, dürfe die Rückzahlung der im Rahmen von NextGenerationEU aufgenommenen Schulden nicht die Finanzierung zentraler EU-Prioritäten gefährden. Die Abgeordneten forderten eine klare Trennung zwischen Schuldentilgung und Programmausgaben und drängten den Rat, neue Eigenmittelquellen zu beschließen. Gemeinsame Kreditaufnahme sieht das Parlament als geeignetes Instrument zur Bewältigung europaweiter Krisen – etwa im Bereich Sicherheit und Verteidigung – an. Das dürfte dem frisch gekürten Bundeskanzler Friedrich Merz nicht recht sein - jedenfalls betonte er bei seinem Antrittsbesuch in Brüssel laut dpa-Europaticker, dass gemeinsame Schulden aus deutscher Sicht die Ausnahme bleiben müssten. Die Verhandlungen darüber dürften spannend werden.
Umweltverbände: Keinen Schaden anrichten und das "Do no signifikant harm"-Prinzip überall einhalten
Der nächste mehrjährige Finanzrahmen (MFR) der EU wird sich mit einer Vielzahl von Krisen befassen müssen - vom Klimawandel und dem Verlust der biologischen Vielfalt bis hin zu den Lebenshaltungskosten, dem industriellen Wandel und der Energieunabhängigkeit. Aus Sicht der Umweltverbände ist ein wichtiger Hebel zur Schaffung eines einfacheren und effizienteren Haushalts – und das betone auch Mario Draghi in seinem Bericht über die Zukunft der europäischen Wettbewerbsfähigkeit – die Harmonisierung von Regeln und horizontalen Anforderungen (zum Beispiel Umweltanforderungen) in allen Finanzierungsprogrammen und EU-Finanzierungsinstrumenten. Das Prinzip, keinen Schaden anzurichten, das „Do no significant harm“-Prinzip (DNSH) müsse operationalisiert und als einheitliche Fördervoraussetzung gelten, so ein gemeinsames Statement von 29 großen zivilgesellschaftlichen Organisationen vom März.
Der WWF hatte kurz vor der Abstimmung im EU-Parlament nochmals gemahnt, dass „mutige Ziele fehlen“. Denn obwohl der langfristige EU-Haushalt derzeit nur ein Prozent des EU-Bruttoinlandsproduktes ausmache, sei der MFR doch „ein entscheidender Motor für öffentliche Investitionen in ganz Europa, auch für Klima und Natur“, umfasst doch das Budget des noch geltenden MFR rund 1,2 Billionen Euro. Zudem hätten die getroffenen Entscheidungen Auswirkungen auf die öffentlichen Investitionen bis weit in die 2030er Jahre hinein. Damit spiele der neue MFR eine entscheidende Rolle dabei, ob die EU in der Lage ist, ihre globalen Verpflichtungen in Bezug auf das Klima und die biologische Vielfalt in den kommenden Jahrzehnten zu erfüllen.
Der Parlamentsbericht betone zu Recht, dass zur Bewältigung der sich verschärfenden Klima- und Biodiversitätskrise ein größerer Haushalt als je zuvor erforderlich sei - aber dann werde versäumt, auf höhere Ausgabenziele für Klima und Biodiversität zu drängen, kritisierte der WWF. Angesichts sich abzeichnender großer Lücken bei den öffentlichen Investitionen und der stark eingeschränkten nationalen Haushalte reiche es nicht aus, den Status quo beizubehalten. Es brauche „konkrete und ehrgeizige Forderungen“ für die kommenden Verhandlungen. Positiv zu vermerken sei, dass die Abgeordneten eine Aufstockung der Mittel für den Klimaschutz und die biologische Vielfalt im Rahmen des LIFE-Programms fordern, das in den letzten drei Jahrzehnten der Eckpfeiler für die Umsetzung der Umweltgesetzgebung in der EU war und unbedingt als gestärktes und eigenständiges Programm beibehalten werden muss. Das Parlament lehne daher zu Recht die Zusammenlegung von gut funktionierenden Instrumenten zu einem „Mega-Fonds“ für Wettbewerbsfähigkeit ab. Darüber hinaus hätten die Abgeordneten klar signalisiert, dass eine Erhöhung der Ausgaben für neue Prioritäten wie Sicherheit und Verteidigung nicht auf Kosten der Ausgaben für Klima und Umwelt gehen dürften. Der WWF begrüßte auch die Aufforderung an die Kommission, mit dem nächsten MFR endlich alle umweltschädlichen Subventionen abzuschaffen und naturbasierte Lösungen für die Bewältigung der immer häufiger auftretenden Naturkatastrophen in den Vordergrund zu stellen. Beispielsweise gingen bis zu 60 Prozent der derzeitigen Ausgaben für die Gemeinsame Agrarpolitik – rund 32,1 Milliarden Euro jährlich – zu Lasten der Natur.
Weitere Schritte
Im Juli ist die Veröffentlichung des Entwurfs für den nächsten MFR anberaumt. Dann dürften sich lange und angespannte Verhandlungen in Rat und Parlament über die Vorlage der EU-Kommission anschließen, die sich wahrscheinlich über die nächsten zwei Jahre erstrecken. Noch gilt der MFR 2021-2027...
Es wird sich zeigen, ob die EU-Kommission ihre eigenen, selbstkritischen Worte aus der Mitteilung ernst nimmt: „Der EU-Haushalt hat zwar zur Förderung horizontaler Prioritäten wie Klimaschutz, biologische Vielfalt und Gleichstellung der Geschlechter beigetragen […], allerdings gibt es nach wie vor Raum für Verbesserungen.“ [jg]
Prioritäten des Parlaments für den Mehrjährigen Finanzrahmen ab 2028
Climate and nature win support in Parliament's budget vision, but bold targets still missing | WWF
Zahlreiche Rückmeldungen zu MFR-Konsultationen
Bis 6. Mai konnten Interessierte noch Kommentare zu einzelnen Bereichen des MFR einreichen. Der Anteil aus Deutschland ist auffallend hoch. Hinter vielen Konsultationen stehen Einzelbürger*innen, aber auch die Zivilgesellschaft, Forschungsinstitute und die Wirtschaft sind vertreten. Die Konsultationen und ihre Rückmeldungen finden Sie hier:
Einzelbereiche:
- EU-Mittel für Wettbewerbsfähigkeit,
- EU-Mittel für das auswärtige Handeln,
- EU-Mittel für grenzüberschreitende allgemeine und berufliche Bildung und Solidarität, junge Menschen, Medien, Kultur und Kreativwirtschaft, Werte und die Zivilgesellscha
- EU-Mittel für Katastrophenschutz, Vorsorge und Reaktion auf Krisen,
- EU-Mittel für den Binnenmarkt und Zusammenarbeit zwischen nationalen Behörden,
- Der nächste langfristige Haushalt der EU (MFR) – Leistung des EU-Haushalts.