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Zukunft der Kohäsionspolitik: Mehr Zentralisierung, weniger Mitsprache?
EU-News | 11.06.2025
# sozial-ökologische Transformation #EU-Umweltpolitik #Politik und Gesellschaft #Wirtschaft

Zukunft der Kohäsionspolitik: Mehr Zentralisierung, weniger Mitsprache?

Blick auf eine am Schreibtisch sitzende Person, die mit einem Stift auf ein Papier mit Diagrammen in verschiedenen Grün-Schattierungen deutet
© AdobeStock / MheeP (KI-generiert)

Die EU plant derzeit ihr nächstes Mehrjahresbudget – und dabei geht es um Milliarden Euro. Geld, das aus Sicht von Umweltverbänden verbindlich und mit Beteiligung der Gesellschaft für nachhaltige Zwecke ausgegeben werden sollte. Doch der jüngste Vorschlag der EU-Kommission setzt andere Prioritäten, warnt Edda Nitschke vom BUND. 

In der Europäischen Union leben rund 448 Millionen Menschen, verteilt auf 244 Regionen – von wirtschaftlich schwächeren Gebieten in Südosteuropa über aufstrebende Industriezentren in Polen bis hin zu hochentwickelten Metropolregionen wie Île-de-France. Die Spannbreite ist enorm – und genau hier setzt die europäische Kohäsionspolitik an.

Sie ist ein zentrales Instrument zur Förderung des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts in Europa. EU-Kohäsionspolitik gleicht regionale Unterschiede aus und unterstützt unter anderem Infrastrukturprojekte, Beschäftigung und nachhaltige Entwicklung – fest verankert in den Verträgen der EU.

Im aktuellen Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR 2021–2027) fließen rund 30 Prozent des EU-Haushalts in kohäsionspolitische Fonds wie Europäischer Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), Europäischer Sozialfonds (ESF), Kohäsionsfonds, Just Transition Fonds (JTF), Interreg und React-EU. In Deutschland stehen allein über den EFRE 10,8 Milliarden Euro zur Verfügung – unter anderem für Digitalisierung, Tourismusinfrastruktur, Klimaanpassung oder nachhaltige Mobilität („Dieser Radweg wurde von der EU kofinanziert“). Für „grüne“ Maßnahmen sind etwa 3,6 Milliarden Euro vorgesehen. Doch deren Zukunft ist ungewiss: Ab 2026 plant die EU-Kommission Umschichtungen der Mittel hin zu neuen Prioritäten wie Aufrüstung und Unterstützung von Großunternehmen. In Ungarn, der Slowakei, Litauen oder Malta machen Kohäsionsmittel mehr als die Hälfte aller öffentlichen Investitionen aus. Wichtige, von Regionen und Kommunen übernommene Aufgaben laufen durch die Umschichtungen Gefahr, nicht mehr finanziert zu werden. Das beschreibt auch ein Briefing Paper zur Halbzeitüberprüfung der EU-Kohäsionsplolitik und dem Vorschlag der EU-Kommission von CAN Europe und WWF. 

Portraitfoto von Edda Nitschke
Besonders wertvoll an der Kohäsionspolitik ist das sogenannte Partnerschaftsprinzip: Regionen und Bundesländer gestalten mit – und müssen dabei die Zivilgesellschaft einbinden. Dieses Verfahren ist zwar komplex und nicht perfekt, stärkt aber demokratische Strukturen und die Wirksamkeit vor Ort.
Edda Nitschke
Wissenschaftliche Mitarbeiterin für nachhaltige EU-Förder- und Strukturpolitik

Zentralisierung schwächt Beteiligungsrechte

Für den kommenden MFR 2028–2034 will die EU-Kommission eine deutlich zentralere Struktur einführen: weniger Fonds, weniger Budget, mehr Einfluss der Mitgliedstaaten – zulasten der Regionen. Im föderalen Deutschland würde die Zentralisierung vermutlich begrenzt, dennoch bedeutet dies europaweit den weiteren Rückbau demokratischer Beteiligung. 

Regional- und Kommunalvertretungen sowie das Europäische Parlament kritisieren die Pläne scharf: Zentralisierung könne die Kohäsionspolitik schwächen und das Vertrauen der Bürger*innen in die EU untergraben. Im Rat der EU gibt es selbstredend weniger Widerstand …

Weniger Fonds im MFR bedeuten auch (noch) weniger spezifische Vorgaben – und damit weniger Kontrolle. Schon heute ist fraglich, ob manche Projekte, die unter dem Label „Klimaschutz“ laufen, tatsächlich Emissionen vermeiden oder ob die mit EU-Mitteln geplante Straße wirklich zu „multimodaler Mobilität“ beiträgt.

Zivilgesellschaft ist gefragt: Wir brauchen verbindliche Vorgaben, die keinen Schaden anrichten

Umso wichtiger ist es, dass sich Umweltverbände aktiv in die Verhandlungen bis 2028 einbringen. Es geht um verbindliche Vorgaben für Klima-, Umwelt- und Biodiversitätsschutz, transparente Förderkriterien, eine klare Mittelbindung und die wirksame Umsetzung des „Do-no-significant-harm“-Prinzips um umweltschädliche Subventionen zu verhindern. Nur so lässt sich sicherstellen, dass auch wirklich „grün drin ist, wo grün draufsteht“.

BUND-Positionspapiere zum Weiterlesen:

  

Zur Autorin

Edda Nitschke ist wissenschaftliche Mitarbeiterin beim BUND im Bereich nachhaltige EU-Förder- und Strukturpolitik.

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