Mehr neue Vertragsverletzungsverfahren im vergangenen Jahr
903 neue Vertragsverletzungsverfahren leitete die EU-Kommission 2020 ein. Wie sie in ihrem Jahresbericht zur Umsetzung des EU-Rechts am Freitag feststellte, liefen zum Jahreswechsel 1786 Verfahren gegen Mitgliedstaaten, die meisten davon wieder im Umweltbereich.
Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Zahl der neu eröffneten Verfahren damit um 13 Prozent (siehe EU-News vom 31.07.2020). In 444 FĂ€llen verfolgte die EU-Kommission VerstöĂe gegen europĂ€isches Umweltrecht, wobei 2020 236 neue Verfahren hinzukamen. Auch in den Bereichen Verkehr (277), Binnenmarkt und Industrie (194) sowie Energie (186) verfolgte die EU-Kommission fehlende oder nicht ausreichende Umsetzungen von EU-Recht.
Die EU-Kommission leitet Verfahren ein, wenn Mitgliedstaaten EU-Recht verspĂ€tet umsetzen, nicht ordnungsgemÀà umsetzen oder anwenden oder wenn sie gegen Verordnungen, VertrĂ€ge oder BeschlĂŒsse verstoĂen. Die Zahl der neuen Verfahren wegen verspĂ€teter Umsetzung stieg stark von 406 im Jahr 2019 auf 599 im Jahr 2020.
Die meisten Vertragsverletzungsverfahren laufen zurzeit gegen Spanien (99) und das Vereinigte Königreich (97), gefolgt von Griechenland, Italien, Belgien und Portugal. Deutschland weist 79 offene Verfahren aus.
(Neue) Verfahren im Umweltbereich
Neu hinzu kamen 2020 zum Beispiel Klagen vor dem EuropĂ€ischen Gerichtshof (EuGH) gegen Frankreich und Griechenland wegen schlechter LuftqualitĂ€t. Auch Bulgarien wurde verklagt, weil es ein vorangegangenes Urteil in Bezug auf Feinstaub nicht befolgt hatte. Frankreich ist seinen Verpflichtungen in Bezug auf Trinkwasservorschriften nicht nachgekommen und mehrere Mitgliedstaaten sammeln und behandeln kommunales Abwasser nicht ordnungsgemĂ€Ă. Auch in diesen FĂ€llen eröffnete die EU-Kommission neue Verfahren. In 16 FĂ€llen ging sie gegen Mitgliedstaaten vor, die den Zugang zu Gerichten im Sinne der Umwelthaftungsrichtlinie beschrĂ€nkt hatten. Die Slowakei und Polen erhielten letztes Jahr Klageschriften, weil sie WaldlebensrĂ€ume und in WĂ€ldern vorkommende Arten nicht ordnungsgemÀà schĂŒtzen. Italien, Portugal und das Vereinigte Königreich erhielten Mahnschreiben, weil sie nicht ĂŒber die Umsetzung ihrer nationalen Strategierahmen fĂŒr den Aufbau der Infrastruktur fĂŒr alternative Kraftstoffe Bericht erstattet hatten. Gegen Belgien und die Niederlande leitete die EU-Kommission Verfahren wegen des Wiegens und der Registrierung von FischfĂ€ngen ein. Malta hatte es zudem versĂ€umt, ein wirksames Ăberwachungs-, Kontroll- und Inspektionssystem in den Zuchtbetrieben fĂŒr Roten Thun einzufĂŒhren.
Auch eine groĂe Zahl Ă€lterer Verfahren wurde weiter verfolgt, unter anderem die Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland und Bulgarien wegen fehlenden Schutzes und Managements der Natura-2000-Gebiete. Gegen Kroatien, Tschechien, Litauen und Polen laufen weiterhin Verfahren wegen der mangelhaften Umsetzung und Anwendung der Energieeffizienzrichtlinie.
Verfahren gegen Deutschland
Gegen Deutschland eröffnete BrĂŒssel 2020 28 neue Verfahren, davon sieben im Umweltbereich. Alleine 20 neue Verfahren wurden wegen einer verspĂ€teten Umsetzung von EU-Recht eingeleitet. Einen Ăberblick ĂŒber die laufenden Verfahren gegen Deutschland im Umweltbereich und Hintergrundinformationen zu Vertragsverletzungsverfahren liefert der neue Steckbrief der DNR EU-Koordination.
Vertragsverletzungsverfahren bestehen, je nach Reaktion des Mitgliedstaats, aus mehreren Phasen. Gibt es nach einem ersten Mahnschreiben (Phase 1) keine zufriedenstellende Antwort, schickt die EU-Kommission eine mit GrĂŒnden versehende Stellungnahme (Phase 2). Ist der VertragsverstoĂ zwei Monate spĂ€ter noch nicht behoben, kann die EU-Exekutive in einem dritten Schritt den EuGH anrufen. [km]
2020 Annual Report on monitoring the application of EU law
DNR Steckbrief: Von der Mahnung bis zur Klage: Vertragsverletzungsverfahren im Umweltbereich