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Der Verordnungsvorschlag für entwaldungsfreie Produkte
EU-News | 17.11.2021
#Landwirtschaft und Gentechnik #EU-Umweltpolitik #Wald #Biodiversität und Naturschutz

Der Verordnungsvorschlag für entwaldungsfreie Produkte

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c. pixabay/MichaelGaida

Als Beitrag zur Umsetzung des Europäischen Green Deal hat die EU-Kommission am Mittwoch neue Vorschriften vorgeschlagen, um gegen die von der EU verursachte Entwaldung vorzugehen. EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius twitterte: "Heute übernehmen wir Verantwortung."

Die Veröffentlichung besteht aus sechs Teilen:

Was steckt drin?

Die neuen Vorschriften sollen dafür sorgen, dass die auf dem EU-Markt gekauften, genutzten und konsumierten Produkte nicht zur weltweiten Entwaldung und Waldschädigung beitragen. Allein im Zeitraum von 1990 bis 2020 wurden weltweit 420 Millionen Hektar Wald – eine Fläche, die größer ist als die Europäische Union – abgeholzt.

Die Verordnung enthält verbindliche Sorgfaltspflichten für Unternehmen, die Rohstoffe wie Soja, Rindfleisch, Palmöl, Holz, Kakao und Kaffee sowie daraus gewonnenen Erzeugnisse wie Leder, Schokolade und Möbel in der EU in Verkehr bringen wollen. Zu gewährleisten ist sowohl, dass die betreffenden Erzeugnisse und Produkte nicht von nach dem 31. Dezember 2020 entwaldeten oder geschädigten Waldflächen stammen, als auch im Einklang mit den Gesetzen des Ursprungslands hergestellt wurden. Es soll unter anderem mittels eines Benchmarking-Systems zum Entwaldungs- und Waldschädigungsrisiko sichergestellt werden, dass nur entwaldungsfreie und legale Produkte auf dem EU-Markt zugelassen werden. Wenn der Verbrauch „entwaldungsfreier“ Produkte gefördert und der Anteil der EU an der weltweiten Entwaldung und Waldschädigung verringert wird, so die Hoffnung, werden „voraussichtlich auch die Treibhausgasemissionen und der Verlust an biologischer Vielfalt eingedämmt“.

Darüber hinaus dürfte sich die Bekämpfung von Entwaldung und Waldschädigung positiv auf die lokalen Gemeinschaften und indigenen Völker auswirken. Zudem will die EU-Kommission mit Partnerländern zusammenarbeiten sowie auf der internationalen Ebene an bi- und multilateralen Beratungen teilnehmen.

Der für den europäischen Green Deal zuständige Exekutiv-Vizepräsident der EU-Kommission Frans Timmermans erklärte bei der Vorstellung der neuen Vorschläge: „Um im weltweiten Kampf gegen die Klima- und die Biodiversitätskrise erfolgreich zu sein, müssen wir Verantwortung übernehmen und sowohl innerhalb als auch außerhalb der EU handeln. Mit unserer Entwaldungsverordnung kommen wir den Forderungen der Bürgerinnen und Bürger nach, den europäischen Beitrag zur Entwaldung zu minimieren und nachhaltigen Verbrauch zu fördern.“

Reaktionen: „Hoffnungsschimmer mit großen Lücken“ – „Leder drin, Menschenrechte draußen“

Greenpeace EU sieht einen „Schimmer der Hoffnung“ in dem Vorschlag der EU-Kommission, weise aber noch „große Lücken auf“. Zwar seien Unternehmen erstmals dazu verpflichtet, die Herkunft ihrer Produkte zurückzuverfolgen und nachzuweisen, dass sie nicht mit der Zerstörung oder Schädigung von Wäldern in Zusammenhang stehen. Aber Ökosysteme wie Savannen und Feuchtgebiete, die für den Klimaschutz und die Artenvielfalt von großer Bedeutung sind, würden nicht geschützt. Und viele Produkte wie Schweinefleisch, Geflügel, Kautschuk und Mais, die ebenfalls zerstörerisches Potenzial hätten, blieben unberücksichtigt.

Die Waldschutzorganisation Fern nennt den Vorschlag einen „Wendepunkt im Kampf gegen die Hauptrolle Europas bei der Zerstörung der Wälder der Welt“. Allerdings enthalte er „viele potenzielle Fallstricke“. Beispielsweise stütze sich der Vorschlag auf die Gesetze der Erzeugerländer, um festzustellen, ob die Waren mit Menschenrechtsverletzungen wie Landraub in Verbindung stehen. „In einem Land wie Brasilien würde dies bedeuten, dass man sich darauf verlassen müsste, dass die Regierung Bolsonaro die Rechte indigener Völker schützt - was sie nicht tut“, kritisierte die Organisation.

Dass Leder wieder in der Liste der wichtigen Entwaldungstreiber steht, bewerte die Deutsche Umwelthilfe (DUH) als positiv. Allerdings gebe es auch Anlass zu Kritik: So sind wichtige Ökosysteme, entwaldungskritische Rohstoffe wie Kautschuk und der Schutz internationaler Menschenrechte nicht ins Gesetz aufgenommen worden.

Mehr als 56 Organisationen der #Together4Forests-Kampagne hatten die EU-Kommission in der vergangenen Woche aufgefordert, das geplante Gesetz zur Verminderung nicht zu verwässern (EU-News 11.11.2021). Der Lobbydruck war groß (EU-News 04.11.2021, 23.09.2021 und 16.09.2021). Auch das EU-Parlament hatte im Oktober eine starke Vorlage der EU-Kommission gefordert (Tweet mit Verweis auf offenen Brief).

Nächste Schritte

Die Verhandlungen über den Verordnungsvorschlag im Europäischen Parlament und zwischen den EU-Mitgliedstaaten dürften in der ersten Hälfte des Jahres 2022 beginnen. Im Parlament werden die Abgeordneten des Umweltausschusses (ENVI) voraussichtlich die Federführung übernehmen. Der ENVI hatte im vergangenen Jahr einen eigenen Bericht erstellt (EU-News 28.08.2020, angenommener Bericht).

Quellen:

Pressemitteilung der EU-Kommission: Europäischer Grüner Deal: Kommission nimmt neue Vorschläge an: Stopp der Entwaldung, innovative nachhaltige Abfallbewirtschaftung und gesunde Böden für Menschen, Natur und Klima

Vorschlag für eine neue Verordnung

Fragen und Antworten zur neuen Verordnung über entwaldungsfreie Produkte

Reaktionen:

[redaktionell bearbeitet von Juliane Grüning]

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