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Entwaldungsfrei? Özdemir will EUDR verschieben und erntet Protest
EU-News | 19.09.2024
#Biodiversität und Naturschutz #Landwirtschaft und Gentechnik #Wald #Wirtschaft

Entwaldungsfrei? Özdemir will EUDR verschieben und erntet Protest

Abholzung im Regenwald
© AdobeStock/Richard Carey
Abholzung im Regenwald

Die Bundesregierung fordert von der EU-Kommission ein halbes Jahr Aufschub für die Verordnung für entwaldungsfreie Produkte (EUDR), weil „wichtige Umsetzungselemente“ fehlten. Ein Bündnis aus Umwelt- und Entwicklungsorganisationen nennt den Rückzieher zum Schutz der Wälder verantwortungslos, besonders jenen Unternehmen gegenüber, die im Zeitplan seien. Ein Faktencheck entlarvt EUDR-Mythen.

Die Verordnung für entwaldungsfreie Produkte (EUDR) ist eigentlich bereits im Juni 2023 in Kraft getreten – allerdings mit 18 Monaten Umsetzungsfrist. Bis zum 30. Dezember soll das Gesetzeswerk, das den Import und Verkauf von zur Entwaldung beitragenden Produkten wie Rindfleisch, Soja, Palmöl, Holz, Kaffee, Kakao und Naturkautschuk auf dem europäischen Markt verbieten soll, vollständig wirksam sein. Am 13. September hat die Bundesregierung allerdings die EU-Kommission offiziell aufgefordert, einen Aufschub bis 1. Juli 2025 zu gewähren. 

In einem Schreiben an den exekutiven Vizekommissionspräsidenten Maroš Šefčovič mahnte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir, dass der Start eine „angemessene Vorbereitung der Wirtschaft und eine effiziente nationale Anwendung“ voraussetze, die „unverzüglich geschaffen werden“ sollten. Vier Monate vor dem planmäßigen Start fehlten laut Özdemir immer noch „wichtige Umsetzungselemente“ wie die Einstufung Deutschlands als Land mit geringem Entwaldungsrisiko. Die EU-Kommission habe außerdem Unterstützung bei der Umsetzung versprochen, allerdings noch nicht geliefert. Leitlinien für die Marktteilnehmer zum besseren Verständnis der EUDR waren für das Frühjahr angekündigt worden, um den Privatsektor in der EU und die EU-Handelspartner besser zu informieren, sind aber bisher nicht veröffentlicht worden.

Prinzipiell sei die Verordnung für entwaldungsfreie Produkte zu unterstützen. „Das Ziel der EUDR, den notwendigen globalen Waldschutz zu stärken, steht außer Frage. Aber die Umsetzung muss praktikabel, bürokratiearm und reibungslos funktionieren“, so Özdemir. Sowohl die Unternehmen als auch Länder mit kleinbäuerlichen Produktionsstrukturen bräuchten ausreichend Zeit, weil sonst Lieferketten zum Ende des Jahres zu reißen drohten. „Der Anwendungsstart muss verschoben werden, Punkt“, so Özdemir.

Laut Medienberichten (Table.Media) will EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Layen den Zeitplan der EUDR wohl tatsächlich noch einmal überprüfen - dies habe sie gegenüber der EVP-Fraktion geäußert, ohne dabei konkreter zu werden. Schon im Juli hatte es Druck gegen die EUDR gegeben, unter anderem aus den USA und aus dem konservativen Parteienspektrum (EU-News 11.07.2024). Die Rede war von einer Verschiebung auf 2027.

Naturzerstörung durch Konsum verhindern, politische Integrität bewahren

Ein Bündnis aus Deutscher Umwelthilfe (DUH), WWF, ROBIN WOOD, OroVerde, SÜDWIND und INKOTA kritisierte, dass die Bundesregierung riskiere, „dass weiterhin ungehindert Soja, Kakao, Kaffee, Kautschuk, Palmöl, Rindfleisch, Leder und Holz auf den EU-Markt gelangen werden, die mit Naturzerstörung einhergehen“. Eine Verschiebung würde außerdem „jene Unternehmen bestrafen, die sich auf die EUDR vorbereiten und auf deren fristgerechtes Inkrafttreten hinarbeiten“. In einem bereits Mitte August veröffentlichten Faktencheck stellten die Organisationen außerdem klar, dass die EUDR „keine übermäßige bürokratische Belastung“ darstelle und entlarvten zehn häufige Falschaussagen und Missverständnisse zur EUDR.

Der Geschäftsführer des INKOTA-Netzwerks, Arndt von Massenbach, sagte, die EUDR müsse „ohne Verzögerungen oder Öffnung umgesetzt werden, […] damit unser Konsum nicht länger zu Umweltzerstörung beiträgt“. Beim Schutz der Wälder und der Artenvielfalt und beim Klimaschutz weltweit sei keine Zeit mehr zu verlieren. Die Position der Bundesregierung sorge bei Kleinbäuer*innen, Unternehmen und in den Herkunftsländern, die sich mit großen Anstrengungen auf die Umsetzung des Gesetzes vorbereiten, für „enorme Unsicherheit“. Ulrich Malessa von OroVerde ergänzte, dass die Verordnung mit breiter Unterstützung des EU-Parlaments und des EU-Rats angenommen worden sei. Den Anwendungsbeginn zu verschieben, würde daher auch „die Integrität des demokratischen EU-Gesetzgebungsprozesses“ infrage stellen.

Allein zwischen 1990 und 2020 gingen weltweit rund 420 Millionen Hektar Wald – fast so viel wie die Fläche der Europäischen Union – verloren. Rund 90 Prozent der weltweiten Entwaldung wird laut FAO durch die Ausdehnung landwirtschaftlicher Flächen hervorgerufen. Der neue EU-Gesetzesrahmen soll die globale Abholzung von Wäldern und die Zerstörung von Lebensräumen verhindern helfen. Unternehmen müssen in Zukunft eine Sorgfaltserklärung abgeben, dass für ihr Produkt nach dem 31. Dezember 2020 kein Wald gerodet oder geschädigt wurde. Bei Zuwiderhandlungen drohen hohe Strafen von mindestens vier Prozent des Jahresumsatzes. [jg]

BMEL: Bundesregierung fordert Verschiebung der EUDR 

DUH et al.: Kritik des Verbändebündnisses 

Robin Wood et al.: Faktencheck zur EU-Entwaldungsverordnung 

EU-Waldpolitik kurz & knapp
  • ECOS-Positionspapier zum EU-Waldmonitoring: Das EU-Waldmonitoringgesetz (Forest Monitoring Law - FML) ist notwendig, um die Fortschritte im Hinblick auf die EU-weiten Umwelt- und Klimaziele zu verfolgen. Die Auswahl der richtigen Indikatoren für die Gesundheit, Widerstandsfähigkeit und Funktionen der Wälder ist dabei entscheidend, zeigt die zu Standards in der EU-Umweltpolitik arbeitende Organisation ECOS in einem entsprechenden Positionspapier.
  • Waldkonferenz in Budapest: Die parallel zur ungarischen Ratspräsidentschaft organisierte Civil EU presidency veranstaltet vom 3.-4 Oktober die Konferenz: Wälder in der EU - Der Blick auf den Wald hinter den Bäumen. Ziel der Konferenz ist, wissenschaftlich fundierte Argumente und Beiträge der Zivilgesellschaft für den Verhandlungsprozess zur EU-Forststrategie für 2030 zu liefern. 
  • Waldbrände: Den verheerenden Waldbränden in Portugal sind bis 17. September mindestens sieben Menschen erlegen, die EU schickte acht Löschflugzeuge zur Unterstützung. Im August mobilisierte die EU schon Hilfe zur Bekämpfung von Waldbränden in Südosteuropa: Nordmazedonien, Bulgarien und Albanien hatten darum gebeten.
    Laut Statistik 2023 gab es in der EU 362.400 Berufsfeuerwehrleute (plus 3.200 seit 2022), was 0,18 Prozent der Gesamtbeschäftigung in der EU entspricht. Im Zuge des Klimawandels und bei häufigeren Extremwetterereignissen muss die Zahl wohl weiter steigen. Informationen zu Waldbränden liefert das European Forest Fire Information System (EFFIS). Die in EFFIS kartierten Brände können auch solche umfassen, die absichtlich zum Zweck der Vegetationsverwaltung gelegt wurden. 

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