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GAP-Paket: Rückbau statt Vereinfachung
EU-News | 20.05.2025
#Biodiversität und Naturschutz #EU-Umweltpolitik #Landwirtschaft und Gentechnik

GAP-Paket: Rückbau statt Vereinfachung

Rinder auf Weide
© Leon Ephraïm

Die EU-Kommission hat ein GAP-Vereinfachungspaket" vorgelegt. Erneut sollen zentrale Umweltstandards gelockert werden. Die Mitgliedstaaten sollen mehr Grünland umbrechen dürfen. Öko-Betriebe werden „green by definition“.    

Am 14. Mai hat die EU-Kommission in Brüssel ihre neuen Vorschläge zur „Vereinfachung“ der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), das sogenannte Omnibuspaket, vorgelegt. Damit will die EU-Behörde Landwirtschaftsunternehmen unterstützen und die Wettbewerbsfähigkeit des Agrarsektors steigern. Mit dem Paket sollen nach Angaben der Kommission jährlich bis zu 1,58 Milliarden Euro für die Landwirtschaft und 210 Millionen Euro für die Verwaltungen der Mitgliedstaaten eingespart werden. Die Einsparungen sollen durch mehr Flexibilität sowie Anpassungen bei Kontrollen, Verwaltungsaufwand und Anforderungen an die Betriebe erzielt werden. 

„Wir bringen Pragmatismus in die Gemeinsame Agrarpolitik zurück“, kommentierte der EU-Kommissar für Landwirtschaft und Ernährung, Christophe Hansen, die Vorstellung des GAP-Vereinfachungspakets. Die Bedeutung sollte wohl dadurch untermauert werden, dass gleich drei Kommissare die Vorhaben vorstellten: Hansen informierte gemeinsam mit EU-Vize-Kommissionspräsident Raffaele Fitto und EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis über die Inhalte. Die nun vorgelegten Maßnahmen folgen auf die am 19. Februar 2025 präsentierte EU-Vision für Landwirtschaft und Ernährung. 

Aufgrund europaweiter Agrarproteste im Jahr 2024 hatte die Kommission bereits im vergangenen Jahr umfassende Abschwächungen bei den Umweltanforderungen der GAP vorgenommen – eine Kehrtwende, die damals von Umweltorganisationen scharf kritisiert wurde (EU-News vom 26.04.2024).      

Ausnahmen von Umweltstandards für Klein- und Biobetriebe

Konkret schlägt die Kommission nun höhere Pauschalen für Kleinlandwirt*innen, den Rückbau von Umweltstandards, weniger Kontrollen, Anpassungen der Krisenzahlungen sowie Änderungen im Bereich der Digitalisierung vor. Die pauschalen Zahlungen für Kleinerzeuger*innen soll von 1250 Euro auf maximal 2500 Euro je Betrieb angehoben werden. Diese Betriebe sollen von den Grundanforderungen (Konditionalität, GLÖZ-Standards) ausgenommen werden. An den freiwilligen Umweltmaßnahmen der ersten Säule (Öko-Regelungen) sollen sie hingegen weiterhin teilnehmen können. In Deutschland und vielen weiteren Mitgliedstaaten wird die Kleinerzeugerregelung bislang jedoch nicht angewendet.

Ebenfalls sollen ökologisch wirtschaftende Betriebe von einigen der Anforderungen für einen guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand (GLÖZ-Standards) ausgenommen werden. Auf zertifizierte Biobetriebe sollen nicht angewendet werden: Standards zum Erhalt von Dauergrünland (GLÖZ 1), Verbot des Abbrennens von Stoppelfeldern (GLÖZ 3), Schaffung von Pufferstreifen entlang von Gewässern (GLÖZ 4), Schutz vor Wasser- und Winderosion durch Pflugverbot in Hanglagen (GLÖZ 5) und Mindestbodenbedeckung im Winter (GLÖZ 6). Somit würden Biobetriebe zukünftig als „green by definition“ betrachtet.   

Freifahrtschein für Grünlandumbruch 

Enorme Auswirkungen auf Klima und Biodiversität sind von der generellen Abschwächung des Schutzes von Wiesen und Weiden zu erwarten. So soll die Anforderung zum Erhalt von Dauergrünland (GLÖZ 1) gelockert werden. Den EU-Mitgliedstaaten wird die Möglichkeit eingeräumt, mehr Dauergrünland umzubrechen, also Wiesen und Weiden in Ackerland umzuwandeln. Statt der bisher erlaubten fünf Prozent sollen künftig zehn Prozent der Dauergrünlandfläche der EU-Mitgliedstaaten umgebrochen werden dürfen. Als Referenzjahr für die Dauergrünlandfläche gilt dabei das Jahr 2018. 

Der Erhalt von Dauergrünland ist wegen seiner ökologischen Bedeutung als Habitat für viele Tier- und Pflanzenarten essenziell. Es gilt als wichtige Kohlenstoffsenke und ist unverzichtbar für den Boden- und Gewässerschutz. Das Umbrechen des Grünlands schadet der etablierten Artenvielfalt und setzt den im Boden zuvor gespeicherten Kohlenstoff frei. Eine weitere Neuregelung der Kommission sieht vor, dass Flächen erst nach sieben Jahren ohne Umbruch den Status als Dauergrünland erhalten. Bislang gelten hierfür fünf Jahre. 

Weiterhin dürfen Mitgliedstaaten künftig den Mindestschutz von Mooren und Feuchtgebieten (GLÖZ 2) vergüten. Was bislang als Mindeststandard für den Erhalt der EU-Agrarzahlungen einzuhalten war, würde damit an sich förderfähig werden. Neben der Lockerung der Umweltstandards will die Kommission die Verankerung des Beitrags der GAP zu bestehender EU-Umweltgesetzgebung streichen. Auch auf den jährlichen Leistungsnachweis der Mitgliedstaaten an die EU soll verzichtet werden. Zudem sollen die Kontrollen der Betriebe auf maximal eine Prüfung pro Jahr reduziert werden. 

Mittels verbesserter digitaler Systeme soll der administrative Aufwand für Agrarunternehmen gemindert werden. Die Betriebe sollen ihre Daten nach dem Grundsatz „einmal melden, mehrfach verwenden“ zukünftig nur einmal über ein einziges System an die Behörden übermitteln müssen. Darüber hinaus sollen zwei neue Arten von Krisenzahlungen eingeführt werden. Die Mitgliedstaaten können demnach bis zu drei Prozent ihrer jährlichen GAP-Mittel nutzen, um Betrieben zu helfen, die von den Auswirkungen von Naturkatastrophen oder Tierseuchen betroffen sind. 

Umweltverbände: Rückbau mit gravierenden Konsequenzen 

Auf die Veröffentlichung des GAP-Vereinfachungspakets reagieren viele Umweltverbände mit Kritik. Angesichts der bereits erfolgten Abschwächungen bei der Konditionalität im vergangenen Jahr, hat DNR-Geschäftsführer Florian Schöne „ein fatales Déjà-vu“. Mit den neuen Vorschlägen würden weitere Rückschritte zu Lasten der Natur drohen. Die Kommission wolle „unter dem Deckmantel der ,Vereinfachung' weitere Mindestanforderungen zum Schutz der Umwelt schleifen“, kommentierte Schöne. Insbesondere mit der erweiterten Erlaubnis zum Grünlandumbruch erteile die Kommission einen „Freifahrtschein“ mit absehbar gravierenden Folgen für Artenvielfalt und Klimaschutz. „Anstatt Umweltstandards bei der Verteilung öffentlicher Mittel aufzuweichen, müssen die Leistungen der Betriebe im Umwelt-, Klima- und Tierschutz endlich gezielter entlohnt sowie die entsprechenden Budgets deutlich angehoben werden“, so Schöne weiter. Bessere Anreize für Umweltmaßnahmen entsprechen auch dem Konsens des Strategischen Dialogs zur Zukunft der EU-Landwirtschaft und den Empfehlungen der Zukunftskommission Landwirtschaft. 

Auch der NABU warnt, dass die Vorschläge zentrale Umweltstandards abschwächen würden, ohne im Gegenzug die Honorierung von Umweltleistungen zu stärken. „Natürlich braucht es mehr Anreize, damit die Landwirtschaft naturverträglicher wird – aber was die Kommission hier vorschlägt, ist ein reiner Abbau von Standards, ohne tragfähige Alternativen. Das ist keine Vereinfachung, das ist Rückbau", kritisierte Raphael Weyland, NABU-Büroleiter in Brüssel. 

Weyland appellierte zudem an den neuen Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer. Dieser müsse jetzt politisches Rückgrat zeigen und sich in Brüssel „klar für eine Agrarpolitik einsetzen, die Natur schützt und damit die Existenzgrundlagen der Landwirt*innen langfristig sichert“, ergänzte Weyland. 

Auch die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) kritisiert die Aufweichung des Grünlandschutzes scharf: Anstatt das Grünland aufzugeben, müsse die Kommission dafür Sorge tragen, Grünlandbetriebe wirtschaftlich zu stärken. Die Lösungen dafür seien bekannt: „Wir brauchen endlich zusätzliche Förderangebote innerhalb der Öko-Regelungen für Grünlandbetriebe und eine wirkliche Reform der gemeinsamen Marktordnung, die gerade für Rinderhalter stabilere und gewinnbringende Erzeugerpreise ermöglicht“, kommentierte Ottmar Ilchmann, AbL-Sprecher für Agrarpolitik. 

Bio-Anbauverbände: Erleichterung von „doppelten Auflagen“

Mit Blick auf die Vereinfachungen für Öko-Betriebe fiel das Urteil der Bio-Anbauverbände auf die Pläne der Kommission deutlich milder aus. Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) begrüßte, dass Agrarkommissar Hansen die Leistungen der Biobetriebe anerkenne: „Höfe, die nach den strengen Umweltauflagen der EU-Öko-Verordnung wirtschaften, sollten nicht zusätzlich Auflagen erfüllen müssen, die für die konventionelle Wirtschaftsweise konzipiert wurden“, kommentierte der geschäftsführende Vorstand des BÖLW, Peter Röhrig. Die Vorschläge würden dazu beitragen, dass die EU ihr 25-Prozent-Ökolandbau-Ziel erreiche. Gleichwohl ergänzte Röhrig: so richtig es sei, „doppelte Auflagen“ für die Bio-Landwirtschaft abzubauen, „so kritisch ist es, dass die Agrar-Umweltauflagen insgesamt gemindert werden sollen“. 

Auch Bioland begrüßte die Entscheidung der Kommission zur Vereinfachung für Öko-Betriebe. Damit werde honoriert, was „die ökologischen Landwirtinnen und Landwirte mit ihrem besonders nachhaltigen Anbausystem für Umwelt und Natur leisten“, so Gerald Wehde, Geschäftsleiter Agrarpolitik und Kommunikation bei Bioland. Die Vorschläge seien in der momentanen Situation eine wichtige Unterstützung, da es bei der Umstellung auf Biolandwirtschaft aktuell Zurückhaltung gebe, „der man mit solchen Maßnahmen etwas entgegensetzt.” 

Wie geht es weiter? 

Der Vorschlag der Kommission wird nun dem Europäischen Parlament und dem Rat zur Annahme vorgelegt. Entscheiden sich die EU-Institutionen jedoch für ein Schnellverfahren, wird der Prozess beschleunigt und es finden keine Verhandlungen im Rahmen des Trilogs statt. Die Vorschläge könnten in den Mitgliedstaaten dann eventuell bereits 2026 wirksam werden.

Im Laufe dieses Jahres will die Kommission zudem weitere Vereinfachungsmaßnahmen außerhalb der GAP vorschlagen. Diese Schritte sind in einer Roadmap beschrieben. Auch will die Kommission voraussichtlich im Juli ihre Vorschläge zum mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) und zur zukünftigen GAP nach 2027 vorlegen. Bereits am 7. Mai (EU-News vom 7. Mai) hatten dazu zahlreiche Organisationen aus Landwirtschaft, Umwelt-, Tier- und Naturschutz sowie Entwicklungspolitik und Verbraucherschutz in einer gemeinsamen Stellungnahme eine Neuausrichtung der GAP gefordert: Gemeinsam Qualitätsproduktion wettbewerbsfähig machen – Ernährung krisenfest sichern! [bp]

Pressemitteilung der EU-Kommission zum GAP-Vereinfachungspaket

Pressemitteilung DNR

Pressemitteilung NABU 

Pressemitteilung AbL

Pressemitteilung BÖLW

Pressemitteilung Bioland

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