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Umwelt-Omnibus crasht Green Deal
EU-News | 11.12.2025
#Biodiversität und Naturschutz #Chemikalien #Emissionen #EU-Umweltpolitik #Klima und Energie

Umwelt-Omnibus crasht Green Deal

Ein roter Bus mit der Aufschrift Stop the Omnibus steht in Brüssel auf einer Straße.
© Natasha Foote
Wie im Trojanischen Pferd können sich im Omnibus gefährliche Überraschungen verbergen

Das achte sogenannte „Vereinfachungspaket“ (Omnibus) ist da: Am 10. Dezember hat die EU-Kommission ihre Vorschläge zur Straffung im Umweltrecht vorgelegt. „Förderung nachhaltigen Wachstums durch einfachere und intelligentere Umweltvorschriften“ nennt das die Brüsseler Behörde. Umweltverbände kritisieren die Pläne scharf und sehen erhebliche Gefahren für Ökosysteme und Gesundheit.

Die Europäische Kommission hat am 10. Dezember das bereits einmal verschobene Maßnahmenpaket zur Vereinfachung von Umweltvorschriften in den Bereichen Industrieemissionen, Kreislaufwirtschaft, Umweltprüfungen und Geodaten (Omnibus VIII) vorgelegt. Die Änderungen sollen nach eigenen Angaben dazu „beitragen, den Verwaltungsaufwand für Unternehmen zu verringern und gleichzeitig die ehrgeizigen Ziele der EU zum Schutz der Umwelt und der menschlichen Gesundheit beizubehalten“. Genehmigungsverfahren für alle Projekte sollen beschleunigt und gestrafft werden, insbesondere in strategischen Sektoren wie digitalen Projekten, Projekten für kritische Rohstoffe und erschwinglichem Wohnraum. Nach Berechnungen der EU-Kommission könnten Unternehmen dadurch jährlich etwa eine Milliarde Euro einsparen.

Was steckt drin?

Der sogenannte Umwelt-Omnibus besteht aus sechs Legislativvorschlägen und spiegelt laut EU-Kommission die rund 190.000 Antworten aus der entsprechenden öffentlichen Konsultation wider. Die Behörde plant allerdings „weiterhin auf eine Vereinfachung der bestehenden Rechtsvorschriften hin[zu]arbeiten, die über das heutige Maßnahmenpaket hinausgeht“. Als „wesentliche Elemente“ des aktuellen Pakets nennt die EU-Kommission:

  1. Optimierte Umweltprüfungen für die Erteilung von Genehmigungen
  2. Vereinfachte Industrieemissionsnormen für Industrie und Landwirte
  3. Effektivere digitale Lösungen für Gefahrstoffe in Produkten
  4. Vereinfachte erweiterte Herstellerverantwortung (EPR)
  5. Erleichterter Zugang zu Geodaten

Außerdem plant die EU-Kommission, weitere Gesetze zu überprüfen, zu verändern oder aufzumachen. Dazu gehören Leitlinien für die EU-Verpackungsverordnung, die Überprüfung der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL), die Überprüfung der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MS-RL) und das für 2026 geplante Gesetz über die Kreislaufwirtschaft. Außerdem sollen bestehende Gesetze sogenannten Stresstests unterzogen werden.

„Mehr industrielle Verschmutzung, gefährdete Wasserreserven und Ökosysteme“

Das Europäische Umweltbüro (EEB) als Teil der #HandsOffNature-Koalition kritisiert in einer ersten Reaktion erhebliche negative Auswirkungen auf die europäischen Ökosysteme und die öffentliche Gesundheit. Das Umwelt-Omnibuspaket bedeute:

  • Mehr industrielle und chemische Verschmutzung: Die Untergrabung der Industrieemissionsrichtlinie und die Abschaffung der SCIP-Datenbank, die die Ambitionen der EU im Bereich der Kreislaufwirtschaft gefährden, ließen die industrielle Verschmutzung länger bestehen, setzten Gemeinden vermeidbaren schädlichen Emissionen aus und erhöhten die Exposition des Menschen gegenüber giftigen Chemikalien.
  • Wasser und Gewässer in Gefahr: Die angekündigte Überarbeitung und Schwächung der Wasserrahmenrichtlinie sei „äußerst alarmierend”. Süßwasserökosysteme befänden sich bereits in einem kritischen Zustand, und weitere Schäden würden die Gesundheitsrisiken verschärfen und gleichzeitig ihre Fähigkeit verringern, uns vor Klimakatastrophen zu schützen. Im Grunde genommen sei dies „ein Geschenk an die Industrie”, das mit enormen Kosten für Mensch und Natur verbunden sei.
  • Zusätzliche „Belastung” für die biologische Vielfalt: Die Einführung eines „Stresstests” für die Vogelschutz- und Habitat-Richtlinie stehe in keinem Zusammenhang mit der anhaltenden Krise der biologischen Vielfalt. Gesunde Ökosysteme seien für die Bekämpfung des Klimawandels von entscheidender Bedeutung, doch die Kommission „scheint dies zu übersehen und wissenschaftliche Warnungen zu ignorieren”.
  • Schwächung des Umweltschutzes: Das parallel veröffentlichte Energieinfrastruktur-Paket untergräbt Umweltvorschriften, indem es mehr Projekten erlaubt, Umweltschutzauflagen zu umgehen. Dies gefährdet ökologisch sensible Gebiete wie Natura-2000-Gebiete oder frei fließende Flüsse und könnte dazu führen, dass eine beschleunigte Durchführung zur Norm statt zur Ausnahme werde.

Unter dem Deckmantel von „Einsparungen in Höhe von 1 Milliarde Euro“ verkaufe die EU-Kommission den Umwelt-Omnibus als kosteneffiziente Maßnahme. Allerdings wurden dafür keinerlei Folgenabschätzung durchgeführt und der Fokus liegt ausschließlich auf reduzierten Kosten dafür, um Gesetze einzuhalten. Dabei dürften weitaus höhere Kosten durch Umweltverschmutzung, den Rückgang der Ökosysteme und klimabedingte Katastrophen entstehen. Die eigenen Schätzungen der Kommission zeigten, dass die unzureichende oder fehlende Umsetzung von Umweltgesetzen Europa bereits jährlich etwa 180 Milliarden Euro an Gesundheitskosten und Umweltschäden kostet, so das EEB. Hohe Kosten fürs Nichtstun bestätigt auch der aktuellste Global Environmental Outlook des UN-Umweltprogramms UNEP. 

„Konzerninteressen wichtiger als Schutz der Lebensgrundlagen“

Der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt kritisierte, dass der EU-Kommission „Konzerninteressen wichtiger sind als der Schutz unserer Lebensgrundlage”. Diese Entscheidung der EU sei zumal „erst der Anfang”. Es drohten weitere grundsätzliche Schwächungen von Umwelt- und Naturschutz in den nächsten Monaten. „Arten- und Naturschutz sowie die Beteiligungsrechte der Öffentlichkeit sollen unter dem Vorwand der Planungsbeschleunigung eingeschränkt werden”, so Bandt. Mit dem Wegfall der Chemikalien-Datenbank SCIP werde die Kreislaufwirtschaft in Europa verhindert. Diese Datenbank sei entscheidend gewesen, um gefährliche Stoffe in Produkten nachzuvollziehen und Recyclingkreisläufe sicher zu gestalten. Wer diese Transparenz abbaue, schwäche die Kreislaufwirtschaft und gefährdet grüne Innovationen, die Europa eigentlich stärken sollen. „Leidtragende solcher Entscheidungen der EU-Kommission sind alle Bürger*innen und Betriebe, die auf Transparenz, klare Regeln und Investitionssicherheit angewiesen sind”. Profitieren vom Regelabbau dürften nur einzelne Konzerne, denn die Omnibus-Agenda sei „das genaue Gegenteil einer verlässlichen Politik”. Die EU-Kommission verabschiede sich von ihrem eigenen „Green Deal“ und sorge für maximale Verunsicherung auch in der Wirtschaft. 

„Vereinfachung als Vorwand“

NABU-Europaexperte Raphael Weyland kritisierte, dass das „Deregulierungstheater“ zu weniger Planungs- und Rechtssicherheit führe und europäische Werte gefährde. Nach der Abschwächung der Vorschriften zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) und der Entkernung von Naturstandards in der EU-Agrarfinanzierung (GAP) in den letzten Monaten folge mit dem Umwelt-Omnibus der nächste Rückschritt in der EU-Umweltpolitik. Neben der Streichung von Berichtspflichten für die Tierhaltungsindustrie drohe mit dem „Grids Package“ eine Aufweichung der Umweltverträglichkeitsprüfung beim Netzausbau. Weitere Pakete – darunter ein Automotive- und ein Lebensmittel-Omnibus – sollen in den nächsten Wochen folgen. „Für den NABU summiert sich dieses Vorgehen auf zu einer Serie von Gesetzesänderungen, die unter dem Deckmantel der Entbürokratisierung den Abbau von bewährten Umweltstandards vorantreiben“, so Weyland. 

„Wir erleben in Brüssel derzeit eine ganze Kaskade von Deregulierungsinitiativen, die als Vereinfachung verkauft werden, aber in Wahrheit zentrale Schutzstandards aushöhlen. Dies geht nicht nur zu Lasten von Natur und Umwelt, sondern auch unserer menschlichen Gesundheit. Den Umweltschutz zu entkernen, mag kurzfristig bequem erscheinen, führt aber zwangsläufig zu schlechterer Datenlage, weniger Planungs- und Rechtssicherheit und insgesamt zu höheren Folgekosten“, erklärte Weyland. Dabei wäre echte Vereinfachung durch Digitalisierung, klare Verfahren und besser nutzbare Daten durchaus möglich. Zudem müsse sich die EU-Kommission an die Regeln für bessere Gesetzgebung halten: transparente Konsultationen, nachvollziehbare Gesetzgebungsprozesse und obligatorische Folgenabschätzungen. Erst im November hatte die europäische Ombudsfrau bestätigt, dass die Europäische Kommission bei der Vorbereitung des „GAP-Vereinfachungspakets“ gegen diese Anforderungen verstoßen hat. 

Nächste Schritte

Der Legislativvorschlag muss nun noch vom Europäischen Parlament und dem Rat diskutiert und gegebenfalls mit Änderungen angenommen werden. Darüber hinaus plant die Europäische Kommission, voraussichtlich am 16. Dezember den Omnibus zur Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit zu veröffentlichen. Ein durchgesickerter Entwurf deutet darauf hin, dass dieser die Schutzmaßnahmen gegen schädliche Chemikalien erheblich schwächen würde, indem er den meisten Pestiziden eine unbefristete Zulassung gewährt, die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Überprüfung der neuesten unabhängigen wissenschaftlichen Erkenntnisse aufhebt und die Auslaufphase für hochgiftige Pestizide nach ihrem Verbot verdoppelt. Ein breites Bündnis aus zehn Organisationen in Deutschland hat sich deshalb bereits mit einem kritischen Offenen Brief an die Bundesregierung gewandt. Ein Automotive-Omnibus ist ebenfalls geplant. [jg]

 

EU-Kommission:

Pressemitteilung https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_25_2997

umfangreiches Maßnahmenpaket https://environment.ec.europa.eu/publications/simplification-administra…

Fragen und Antworten zum Umweltvereinfachungspaket https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/qanda_25_2998

Informationsblatt https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/fs_25_2999

Reaktionen:

EEB: EU Commission weakens another set of laws amid maladministration red flags https://eeb.org/en/green-protection-gutted-eu-commission-jeopardises-na…

BUND: EU-Umwelt-Omnibus: Kommission verabschiedet sich stückchenweise vom Green Deal

https://www.bund.net/service/presse/pressemitteilungen/detail/news/eu-umwelt-omnibus-kommission-verabschiedet-sich-stueckchenweise-vom-green-deal/

NABU: Vereinfachung als Vorwand: NABU kritisiert EU-Kurs gegen Umweltstandards https://www.nabu.de/presse/pressemitteilungen/index.php?popup=true&show…

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