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SOTEU 2025: EU unter Druck, Umwelt unter ferner liefen
EU-News | 10.09.2025
#EU-Umweltpolitik #Klima und Energie #Mobilität #Politik und Gesellschaft

SOTEU 2025: EU unter Druck, Umwelt unter ferner liefen

Ursula von der Leyen am 10.09.2025 in Straßburg im EU-Parlament aus Anlass der Rede zur Lage der EU (SOTEU) 2025
© Europäische Union

Die „Lage der Union“ (State of the European Union – SOTEU) ist das Thema der jährlichen Rede von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach der Sommerpause. Darin skizziert sie traditionell vor dem Europäischen Parlament die Leitlinien der Union für das kommende Jahr. Klimaschutz und europäischer Green Deal wurden zwar angesprochen, aber tatsächlich fährt die EU einen Deregulierungskurs.

Die EU-Kommissionspräsidentin konzentrierte sich in ihrer diesjährigen Rede besonders auf Geo- und Außenpolitik, Verteidigung, Wettbewerbsfähigkeit, künstliche Intelligenz und Digitalisierung, Migration, erschwingliche Lebenshaltungskosten, eine neue Global Health Resilience Initiative und nicht zuletzt die europäischen Werte und die Unabhängigkeit Europas.

Europa kämpft.
Einen Kampf für einen unversehrten Kontinent in Frieden. 
Für ein freies und unabhängiges Europa.
Einen Kampf für unsere Werte und unsere Demokratien.
Einen Kampf für unsere Freiheit und dafür, dass wir selbst über unser Schicksal bestimmen können.

Unterschätzen Sie das nicht – dies ist ein Kampf um unsere Zukunft.

Ursula von der Leyen, SOTEU 2025

Rede und Debatte wurden live übertragen (Video) und an Kritik zum Beispiel am Abkommen mit Trump, an der EU-Position zu Gaza, der Ukrainehilfe und anderen eher geopolitischen und wirtschaftlichen Themen mangelte es bei der „schwierigsten“ (Frankfurter Rundschau) SOTEU-Rede bisher.

Während bei der Rede zur Lage der EU 2023 noch Umweltaspekte ganz vorn auf der Agenda standen, muss man diese Thematik zwei Jahre später eher suchen. Den Klimawandel und die verheerenden Waldbrände thematisierte die geübte Rhetorikerin von der Leyen dennoch – und stellte den Kampf um die Zusammenarbeit und Solidarität Europas am Beispiel eines geglückten Feuerwehreinsatzes in Griechenland dar. 

Was ist in Sachen Umwelt- und Klimaschutz zu erwarten?

„Der Klimawandel macht jeden Sommer heißer, härter und gefährlicher. Deshalb müssen wir unsere Anstrengungen in den Bereichen Klimaresilienz, Anpassung an den Klimawandel und naturgestützte Lösungen radikal verstärken“, sagte von der Leyen. Die EU will ein neues europäisches Zentrum für die Brandbekämpfung mit Sitz in Zypern schaffen.

Als Erfolg verbuchte die EU-Kommissionspräsidentin, dass schon heute über 70 Prozent des europäischen Stroms „auf CO₂-armen Energiequellen“ beruhe, dass die EU bei Patenten im Bereich der sauberen Technologien weltweit führend sei. Außerdem sei die EU „auf einem guten Weg, unser Ziel für 2030, die Emissionen um mindestens 55 % zu senken, zu erreichen“, was man dem europäischen Grünen Deal zu verdanken habe. „Und wir müssen bei unseren Zielen für Klima- und Umweltschutz Kurs halten“, bekräftigte von der Leyen. Konkreter wurde sie bei dem noch ausstehenden EU-2040-Klimaziel allerdings nicht.

Auch aus Gründen der Unabhängigkeit müsse die kreislauforientierte Produktion gefördert werden. Öffentliche und private Investitionen müssten massiv gesteigert, Leitmärkte für Produkte der Kreislaufwirtschaft und saubere Produkte geschaffen werden, um für Arbeitsplätze und Investitionen in Europa zu sorgen. Bei der Transformation müsse es aber gerecht zugehen – beispielsweise mit dem Klima-Sozialfonds. Um für weltweit gleiche Wettbewerbsbedingungen zu sorgen, müsse die CO₂-Bepreisung gefördert werden. Europa müsse andererseits aber auch seine Industrie schützen und Anreize für die Dekarbonisierung gewährleisten. „Andernfalls riskieren wir, beim Stahl für unsere Autoindustrie oder bei den Düngemitteln für unsere Landwirtschaft auf Importe angewiesen zu sein“, so die Präsidentin. Um weniger Bürokratie zu bekommen, soll es auch noch weitere Omnibus-Pakete zur Vereinfachung geben. 

Atomkraft scheint zurück und Autos bleiben „Der Stolz Europas“

Um die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aus Russland zu beenden, soll saubere Energie aus heimischen Quellen kommen. „Wir müssen selbst mehr erneuerbare Energie erzeugen – mit Kernenergie für die Grundlast“. Die EU will außerdem ein neues Netzpaket vorschlagen, um die Netzinfrastruktur zu verbessern und die Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. Darüber hinaus stellte die EU-Kommissionspräsidentin eine neue Initiative für „Energieautobahnen“ vor, die die identifizierten „acht kritischen Engpässe in unserer Energieinfrastruktur“ nacheinander beseitigen soll.

Das Verbrenner-Aus für 2035 will die EU „überprüfen“, wobei der „Grundsatz der Technologieneutralität“ respektiert werden soll. Die EU will auch eine neue Initiative für kleine, bezahlbare Autos mit der Industrie erarbeiten. „Ich denke, Europa sollte ein eigenes E-Auto auf den Markt bringen. E wie Engagement für die Umwelt – sauber, effizient und leicht. E wie erschwinglich – bezahlbar für die Menschen. E wie europäisch – hier in Europa gebaut, mit europäischen Lieferketten“, führte von der Leyen aus.

Sehr deutliche Kritik – überraschenderweise nicht an von der Leyen selbst – kam von der S&D-Chefin Iratxe García Pérez. Pérez äußerte Mitgefühl dafür, dass es für das für die schwere Lage durchaus ausgewogene Arbeitsprogramm hauptsächlich ein großes Hindernis aus dem eigenen Lager gebe, nämlich Manfred Weber, den Chef der Europäischen Volkspartei.

Reaktionen aus Umweltverbänden

Nach von der Leyens durchaus europastarker Rede sind Umweltverbände doch eher skeptisch. 

„Es ist gut, dass die EU-Kommissionspräsidentin ihr Versprechen, bei den Klima- und Umweltzielen auf Kurs zu bleiben, bekräftigt. Es bleibt aber fraglich, wie das funktionieren soll, wenn Ursula von der Leyen gleichzeitig von noch mehr Omnibus-Gesetzen, die unter dem Deckmantel des Bürokratieabbaus Umweltgesetze schreddern, spricht. Auch die sogenannte ‚Technologieneutralität‘, Atomenergie für die Grundlast sowie die Überprüfung des Verbrenner-Aus, zeigen, dass der Erfolg des Green Deal in Gefahr ist“, warnte Elena Hofmann vom Deutschen Naturschutzring.

Das Europäische Umweltbüro (EEB) lobte „deutliche Akzente in Bezug auf Einheit, Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit“ in der Rede. Doch trotz von der Leyens Bezugs auf „die Kraft des Green Deal“ entlarve ihr „unerbittliches Deregulierungsvorhaben“, das vor allem kurzfristigen Industrieinteressen diene, eine hohle Herangehensweise an die Klima-, Natur- und Umweltverschmutzungskrisen. Die EU befinde sich eher in einem „Zustand der Verblendung“.

Das WWF-Europabüro begrüßte die Vorschläge von Präsidentin von der Leyen für ein Batterie-Förderpaket in Europa und ein Gesetz zur Dekarbonisierung der Industrie, warnte jedoch auch davor, dass jede Finanzierung für ressourcen- und energieintensive Industrien mit Auflagen für eine echte Dekarbonisierung und grüne Innovationen verbunden sein müsse. Darüber hinaus begrüßt der WWF die Zusage, die Genehmigungsverfahren für die Netzinfrastruktur zu beschleunigen. „Dieser Fortschritt darf jedoch nicht auf Kosten der wichtigen Umweltvorschriften und -schutzmaßnahmen Europas gehen, die für den Schutz der Natur und der Menschen nach wie vor unerlässlich sind“, so der WWF. Von der Leyen betone zwar, dass die EU ihre Bemühungen im Bereich des Klimaschutzes aus wissenschaftlichen, wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Gründen verstärken müsse, indem sie die Fortschritte des europäischen Grünen Deals fortsetze, ehrgeizige Zwischenziele für den Klimaschutz festlege und Investitionen in Klimaanpassung, Resilienz und naturbasierte Lösungen lenke. Allerdings reiche es nicht, nur über Klima und Natur zu sprechen. Die EU-Kommission müsse aufhören, in Richtung Deregulierung zu gehen. Dieser Ansicht sind im Übrigen auch 470 Organisationen, die am Vortag der SOTEU ein Statement gegen Deregulierung veröffentlicht haben. 

Aus Sicht von Slow Food, Humundi und Veblen Institute gefährden EU-Handelsabkommen Landwirte und Ernährungssysteme. Die Organisationen wiesen darauf hin, dass die SOTEU-Rede, in der die EU-Kommissionspräsidentin Deregulierung und Handelsabkommen als den besten Weg für Europa anpreist, im Widerspruch zu ihrem Versprechen „gleiche Wettbewerbsbedingungen für Landwirte” stehe. Indem sie „Wettbewerbsfähigkeit” um jeden Preis priorisiere, schüre sie die wachsende Besorgnis gegenüber Umwelt- und Sozialmaßnahmen, insbesondere in der Agrar- und Ernährungspolitik. [jg]

 

Pressemitteilung EU-Kommission, deutsche Vertretung: Präsidentin von der Leyen zur Lage der Union: „Europa muss kämpfen“

SOTEU-Rede 2025 (deutsch)

Lage der Union 2025 – Vom Versprechen zum Fortschritt: erstes Amtsjahr

EU-Parlament: Debatte zur Lage der EU: Sicherheit, Ukraine, Gaza, Wettbewerbsfähigkeit

EEB: “State of delusion”: von der Leyen trades EU’s Green Deal legacy for deregulation

WWF-Pressemitteilung: Von der Leyen talking the talk on climate and nature [...]

Slow Food: EU Trade Deals Put Farmers and Food Systems at Risk

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